Inhaltsverzeichnis
Alles im Kasten
Kartenverzeichnis
Unterwegs mit Marcus X. Schmid
Ge­bo­ren und auf­ge­wach­sen in der Schweiz, im nicht sehr auf­re­gen­den Mit­tel­land zwi­schen Zü­rich und Bern. Der feh­len­de Blick aufs Mat­ter­horn oder in die Son­nen­stu­be Tes­sin hat seine späte­re Reise­tä­tig­keit er­heb­lich be­güns­tigt. Stu­di­um in Basel, in Erlan­gen und im da­ma­li­gen West­ber­lin, dort­selbst die akade­mi­schen Wei­hen in Germanis­tik, Kom­pa­ra­tis­tik und Po­li­to­lo­gie emp­fan­gen. Lebt und ar­bei­tet frei­be­ruf­lich als Autor und Überset­zer in der fran­zö­si­sch­spra­chi­gen Schweiz.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wie alle Touristen stehe ich am ers­ten Tag meines Besuchs auf dem News­kij-Pros­pekt. Der „Newskij“ ist die Haupt­ader von St. Peters­burg, hier kann ich den Puls der Stadt am besten fühlen. Was hat sich verändert seit dem letzten Mal? Die Marschrutkas mit ihren K-Num­mern, diese „Sammeltaxis“, ver­stopf­en den Newskij nicht mehr, sie wur­den offenbar aus dem Zentrum ver­bannt. Statt atemberaubend hoher Stöck­el­schuhe, denen jeder Aus­länder, aber kein Russe hinter­herschaut, tra­gen rus­si­sche Schönheiten zu­neh­mend Trash Look. Was geblieben ist: die Sandwich-Män­ner und Frauen, die stumm auf ein Restaurant, einen Boat-Trip oder ein Kon­zert aufmerksam machen, die Ba­buschkas, die einen dün­nen Blu­men­strauß feilbieten.
Und was ist aus den Großbaustellen der Stadt geworden? Das Fuß­ball­sta­dion wurde rechtzeitig zur Welt­meis­ter­schaft 2018 fertig, die Insel Neu-Hol­land ist keine Baustelle mehr, sondern zur Fla­nier­zone geworden, und im Nor­den ragt der neue Gazprom-Tower, vom schnellen Volksmund „Maiskolben“ ge­nannt, in den Himmel. St. Petersburg ver­än­dert sich derzeit rasant, dem auf den Fersen zu bleiben, ist mei­ne Auf­gabe. Sicher hat sich auch die Gas­tro-Sze­ne verändert, denke ich, auch das will re­cher­chiert sein. Also an die Arbeit: Erst einmal gut russisch essen gehen ...
Orientiert in St. Petersburg
Stadt und Stadtviertel
Die nördlichste Millionenstadt der Welt ist eine junge, plan­mäßig entstan­dene Stadt. Gebaut wur­de das „Venedig des Nor­dens“, wie St. Pe­ters­burg wegen sei­ner vielen Kanäle und Brü­cken genannt wird, auf dem einst sum­pfigen Gelände des Ne­wa-Del­tas. Eine Stadt ohne ver­win­kel­te Gassen - der Besucher fin­det sich ohne Probleme zu­recht.
Gegründet: 1703
Namen: 1703-1914 St. Peters­burg, 1914-24 Petrograd, 1924-91 Le­nin­grad, 1991 erneut St. Peters­burg
Fläche: ca. 1400 km2
Einwohner: ca. 5,4 Millionen, damit die zweitgrößte Stadt Russlands
„Große Seite“ - die Festlandseite
Die von Kanälen durchzogene Fest­land­seite ist das Zentrum der Stadt. Haupt­ader ist der Newskij-Pros­pekt mit sei­nen Prunkbauten, der sich bis zur Ne­wa zieht, wo - archi­tek­to­ni­scher Flucht­punkt des Prospekts - die gol­de­ne Spitze der Admiralität in den Him­mel ragt.
Hier auf dem „Newskij“ kommt alles zu­sammen: auf Stiletten stöckelnde Schön­heiten, Geschäftsleute mit dem Smart­phone am Ohr, Jugend­liche mit Bier­dose in der Hand, kame­ra­behan­gene Touristen. Auf die zentrale Pracht­straße und ihre Sei­ten­straßen kommt man, ob man will oder nicht, immer wieder zurück, weil man in der Re­gel hier seine Unterkunft hat, weil man hier die meisten Restaurants fin­det, weil hier auch nachts viel los ist.
Am unteren Ende des Newskij steht die we­gen ihrer riesigen Kunstsammlung le­gendäre Eremitage. Der Palast ist, zu­sam­men mit dem Schlossplatz, dem grö­ß­ten Platz der Stadt, Petersburgs Foto­motiv Nummer eins.
Doch auch abseits des Newskij gibt es auf der „Großen Seite“ viel zu sehen. Im eher plebejischen Viertel um die Wla­di­mir­kirche kann man anhand der ge­nauen Angaben in Dostojewskijs „Ver­brechen und Strafe“ auf den Spu­ren des nihi­lis­tischen Mörders Ras­kolni­koff wandeln, die Rubin­stein­straße, im sel­ben Viertel gelegen, profiliert sich in jüngs­ter Zeit als Kneipenmeile mit ve­ge­tarischer bis zur fleischreichen ku­ba­ni­schen Küche. Im Viertel um die Isa­aks­kathedrale wie­der­um lebten in Za­ren­zeiten die begü­terten Geschlech­ter. Der Palast der schwer­reichen Jussu­pows gehört heute zu den viel be­such­ten touristischen Attraktionen. Be­schei­dener ist die einstige Residenz der Na­bokows, wo im Erdgeschoss ein klei­nes Museum an Vladimir Nabokov er­in­nert, der hier seine Jugend ver­brach­te und später im amer­i­ka­ni­schen Exil mit sei­nem Ro­man „Lo­li­ta“ Fu­ro­re mach­te.
Was­siljewskij-Insel
Die Wassi­ljews­kij-In­sel ist durch die Bol­schaja Ne­wa (Gro­ße Ne­wa) von der Gro­ßen Seite ge­trennt. Pe­ter I. hat­te sie ur­sprüng­lich als Zen­trum und Re­gie­rungs­sitz der neuen Haupt­stadt vorge­se­hen. Später änderte er seine Pläne, machte die Insel aber imm­erhin zum Standort der Akademie der Wis­senschaft und gründete darüber hi­naus hier mit der „Kunstkamera“ das ers­te Mu­seum Russ­lands.
Heute ist die Insel vor allem am Ne­wa-Ufer ein Blick­fang. Am öst­lichen Ende, der so­ge­nann­ten Strelka, stehen die auf­fälligen Rostra-Säulen, Symbol für die Herr­schaft über das Meer. Von den im­po­san­ten Gebäuden am Quai ist die Kunst­kamera ein Publikumsrenner; sie be­herbergt das Ku­ri­o­si­tä­ten­ka­bi­nett von Peter I., der für seine Samm­lung in ganz Europa Beispiele mensch­li­cher und tierischer Missbildungen zu­sam­me­n­suchte.
Petrograder Insel
Von verschiedenen Armen der Newa um­spült, ist die Petrograder Insel mit ihren stattlichen Wohnhäusern heute ein beliebter Wohnbezirk mit einem re­gen Leben, das sich entlang der bei­den Haupt­achsen abspielt. Ausländer fla­nier­en gelegentlich im Ale­xan­der­gar­ten, machen vielleicht noch einen Spa­zier­gang zur legendären Aurora, dem Pan­zerkreuzer, der einst den Start­schuss zur Stürmung des Win­ter­palasts gab. Massen von Tou­ris­ten hingegen sieht man auf der vor­ge­lagerten Ha­sen­in­sel, auf der die Peter-Paul-Festung steht: Die Kathe­drale mit den Gräbern der Romanow-Za­ren sowie die Tru­bez­koj-Bastion, Ge­fäng­nis der politischen Geg­ner der Roma­nows, sind hier die Haupt­attrak­tio­nen. Die Einheimischen ke­nnen sie längst und nehmen am Strand vor der Festung ein Sonnenbad.
Inseln zur Erholung
Die Inseln Krestowskij, Jelagin und Kamen­nyj, im Nordwesten der Petro­gra­der Insel gelegen und mit dieser und un­ter­einander mit Brücken verbunden, wer­den von Fremden nur selten auf­ge­sucht. Die drei Inseln bieten viel Grün und Er­holung vom Stadtlärm. An der west­li­chen Spitze der Krestowskij-Insel wur­de, noch rechtzeitig zur Fußball-WM 2018, ein neues Stadion fer­tig­ge­stellt. Am ruhigsten ist die Jelagin-Insel, einst Erholungsort für die Za­renfamilie, heu­te ein gepflegter Park und Paradies für Radfahrer, Jogger, Skater und Spa­zier­gänger ohne Hun­de. Letz­tere haben eben­so wenig Zu­tritt auf die Insel wie Autos. Auf der Kamennyj-Insel wie­der­um sichtet der Spazier­gänger ver­steck­te Datschen, auf dem zentralen Kanal pad­deln Kanuten.
„Sich in einer Stadt nicht zurechtfinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung.“
Walter Benjamin, Berliner Kindheit um Neunzehnhundert
Sightseeing-Klassiker
Wer in St. Petersburg war, ohne die Eremitage besucht zu haben, war nicht in St. Pe­ters­burg. Es gibt offenbar so etwas wie ein touris­ti­sches Pflicht­programm. Was da hinein­gehört, sieht man, wenn man auflistet, wel­che „Highlights“ die klassi­schen Reise­veranstalter für einen Auf­ent­halt von zwei Tagen vor­schlagen.
Unter dem Schutz der UNESCO
St. Petersburgs historisches Zentrum mit seiner einzigartigen Architektur ist seit 1990 UNESCO-Weltkultur­erbe. Das heißt nicht, dass in der Stadt die Uhren stehengeblieben sind. Moderne Architektur aus Glas und Beton ist kein Problem, wenn sie sich einfügt - die historischen Gebäu­de überragen darf sie nicht.
Museen
Eremitage: Die von Zarin Katha­ri­na II. Mitte des 19. Jahrhunderts ge­grün­dete Kunstsammlung hat sich heu­te zu einem der weltweit größten Mu­seen aus­gewachsen. Doch sind die rund 60.000 Werke, die hier ausgestellt sind, kaum mehr als zwei Prozent des­sen, was die Eremitage besitzt. Selbst wer für den Besuch der Eremitage einen gan­zen Tag einplant, muss vorab über­le­gen, welche Abteilungen er se­hen und welche er auslassen will.
Russisches Museum: Bei Ein­hei­mi­schen ist das Museum, das der rus­si­schen Kunst von der alten Iko­nen­ma­le­rei bis zur Revolution 1917 gewidmet ist, fast so beliebt wie die Ere­mi­tage. Einen besonderen Platz nimmt Ilja Re­pin ein, der bedeutendste Ver­tre­ter des russ­ischen Realismus, der einst gegen den akademischen Betrieb in der alt­ehr­würdigen Akademie der Künste re­be­llierte und heute zu den „Klas­si­kern“ ge­hört.
Paläste
Jussupow-Palast: Nach dem Win­ter­pa­last, der heute von der Eremitage in Be­schlag genommen ist, der prunk­volls­te Palast der Stadt. Die Gemäl­de­samm­lung der steinreichen Jussupows fand den Weg in die Eremitage. Ge­blie­ben sind zahlreiche Prunksäle und ein haus­eigenes Theater, ein wahres Schmuck­stück. Zum Schluss des Be­suchs ab in den Keller: Dort wird in einer etwas makabren Installation Ras­pu­tin - Wanderprediger und Wüstling - er­mordet.
Katharinenpalast: Der 300 Meter lan­ge Palast in Blau und Weiß ist ein Meis­ter­stück des russischen Barocks. Im Inneren beherbergt er eine der größ­ten Tou­ris­tenattraktionen, das le­gen­dä­re Bern­steinzimmer. Das Original ist zwar seit dem Zwei­ten Welt­krieg ver­schol­len, die 2003 ein­ge­weih­te Kopie über­zeugt aber. Auch der Spa­zier­gang durch den Ka­tha­rinen­park ist loh­nens­wert: eine ruh­ige An­lage mit Tei­chen und wun­der­ba­r ver­spiel­ten, bi­zarren ar­chi­tek­to­ni­schen Ein­spreng­seln.
Kathedralen/Kirchen
Isaakskathedrale: Als Gotteshaus dient die Kathedrale mit der wuchtigen Kup­pel, für die 100 Kilo pures Gold ver­wen­det wurden, heute nur noch bei be­son­deren Anlässen. Im Inneren ist eine gu­te Dokumentation über ihre Bau­ge­schich­te zu sehen. Aufregender ist der Rund­blick, den man oben vom Säulen­gang aus genießt. Trotzdem: Wir ziehen das Panorama von den Türmen der Smol­nij-Kathedrale vor.
Erlöserkirche: Die Kirche mit den far­bi­gen Zwiebelkuppeln er­innert stark an die Moskauer Ba­si­lius­kathedrale. So schön die Erlö­ser­kir­che auch ist, sie bleibt ein ar­chi­tek­to­ni­scher Fremd­körper in der Stadt, der neo-altrussische Stil passt nicht nach St. Petersburg. Im Inneren ist die Kir­che vollständig mit feinen Mosai­ken aus­gekleidet, weshalb sie offiziell als „Mo­saikenmuseum“ geführt wird.
Gärten
Sommergarten: Die Gründung des Som­mergartens geht auf Peter den Gro­ßen zurück, der auch das Wohl der Haupt­stadtbewohner im Sinn hatte und nebenbei für sich selber einen be­schei­denen Sommerpalast in den Gar­ten stellte. Katharina die Große ge­stal­te­te die Anlage neu - ungefähr so, wie sie sich heute präsentiert. Seit einer letz­ten Überarbeitung 2012 können sich die Besucher wieder zwischen den über 200 italienischen Statuen (Ko­pien) und wunderbaren Springbrunnen er­gehen.
Peterhof: Zum Palast Peters des Großen am Finnischen Meerbusen gehören zwei Gartenanlagen. Die un­te­re mit ihren vielen Kaskaden, Spring­brunnen und Scherzfontänen stellt selbst ihr Ver­sailler Pendant in den Schat­ten. Spek­takulär ist die „Große Kas­kade“, eine hydraulisch exakt durch­kom­po­nier­te Symphonie aus wei­ßem Marmor und goldenen Figuren, zwischen denen das silberne Wasser in die Höhe schießt.
Festungsanlagen
Peter-Paul-Festung: Die beein­dru­cken­de Festung auf der „Haseninsel“ steht am Anfang der Stadtgeschichte; weit sichtbar ragt die von einem Engel ge­krönte goldene Spitze der Peter-Paul-Ka­thedrale in den Petersburger Him­mel. Im Inneren der Kathedrale ruhen die Überreste der Romanows, von Stadt­gründer Peter I. bis Nikolaus II., dem letzten Zaren.
Sightseeing-Alternativen
Die „Klassiker“ sind Pflicht, die „Alternativen“ sind Kür. Aus den über hundert Museen der Stadt wird der Historiker das Muse­um der politischen Geschichte her­aus­suchen, der Psycho­ana­ly­tiker das Freud-Museum, der Spieler das Spielautomaten-Museum. Die folgenden Kür-Vorschläge sind insofern nicht frei von einer ge­wissen Willkür.
Im Untergrund
Da das Newa-Delta stark vermoort ist, musste für den Bau der Peters­burger Metro bis zu hundert Meter in die Tiefe gegraben werden. Die ersten acht Bahnhöfe, für die viel Marmor herbeigeschafft wurde, stammen aus den 1950er Jahren: sozialistische Monumental­archi­tektur, vom frechen Volksmund als „Paläste des Volks“ verspottet. Sie sind einen Abstecher in den Untergrund wert.
Wohnhaus-Museen
Anna-Achmatowa-Museum: Die Gran­de Dame der russischen Poesie wohn­te von 1924 bis zu ihrer Eva­ku­ie­rung während der Leningrad-Blockade 1941 im be­schei­denen „Fontänenhaus“. Das Mu­se­um dokumentiert, in welch be­eng­ten Verhältnissen die von Stalin als „Hure und Nonne“ beschimpfte Dich­terin wohnte (zusammen mit ihrem drit­ten Mann, dessen Ex-Frau und der­en gemein­samer Tochter) und ar­bei­te­te.
Schaljapin-Museum: Die geräumige Woh­nung, in der Fjodor Schaljapin, des­sen Bassstimme die berühmtesten Opern­häuser der Welt begeisterte, von 1914 bis 1921 lebte, ist ein Juwel unter den Petersburger Wohnhaus-Museen. Das Museum zeigt, mit welcher Akribie der Sänger sich in seine Rollen ein­ar­bei­tete. Zum Abschluss eine akustische Kost­probe im haus­eigenen Theatersaal.
Repin-Museum: Ilja Repin (1844-1930), der berühmteste Vertreter der russi­schen realistischen Malerei, ver­brach­te die letzten 30 Jahre seines Le­bens im finnischen Örtchen Kuok­kala, das zehn Jahre nach seinem Tod als Fol­ge des finnisch-russischen Win­ter­kriegs an die Sowjetunion fiel und zu Ehr­en des Malers in Repino um­be­nannt wur­de. Repins Wohnhaus über­rascht den Besucher erst durch seine karne­va­leske Architektur, dann durch zahl­rei­che Skurrilitäten im Inneren, die den Ma­ler als Exzentriker ausweisen.
Gotteshäuser
Alexander-Newskij-Kloster: Ein Ort der Stille. Das älteste Kloster der Stadt, von Domenico Trezzini, dem Haus­ar­chi­tek­ten Peters des Großen entworfen, wird seit dem Zerfall der Sowjetunion wie­der von der Russisch-Orthodoxen Kir­che genutzt, Be­su­cher sind an­ge­hal­ten, sich ent­sprech­end diskret zu ver­hal­ten. Noch be­vor man den Klos­ter­be­zirk be­tritt, sieht man links und rechts des Wegs die be­rühm­tes­ten Fried­hö­fe der Stadt, den La­za­rus-Fried­hof und den Tich­wi­ner Fried­hof. Auf letzterem sind Dos­tojewskij, Mus­sorgskij und Tschai­kows­kij be­graben.
Smolnyj-Kloster: Die in einer Schlaufe der Newa gelegene Klos­ter­an­lage ist ein Mus­terbeispiel des rus­si­schen Barocks und wurde von Barto­lomeo Rastrelli zur glei­chen Zeit wie der Winterpalast ge­baut. Religiösen Zwecken diente das Klos­ter nur kurz. Heute kommen Be­su­cher hierher, um ein schönes Foto zu schie­ßen und dann auf einen der bei­den Türme zu steigen: Der Panorama­blick über die Dächer der Stadt ist ein­ma­lig und stellt jenen der Isa­aks­ka­the­dra­le in den Schatten.
Denkmäler
Eherner Reiter: Irgendein posierendes Hoch­zeitspaar kriegt man bestimmt ins Bild, der Eherne Reiter ist nicht allein zu haben. Die berühmte Bronzestatue ist die verdichtete Symbolik der Ge­schich­te der Stadt: Katharina die Große ehrt Peter den Großen. Der Stadt­grün­der weist auf dem sich aufbäumenden Pferd auf das Delta der Newa: Hier wird die Stadt gebaut. Wer sich dem Zaren in den Weg stellt, wird zertreten wie die Schlang­e unter dem Huf des Rosses.
Gedenkstätte der heldenhaften Ver­tei­diger Leningrads: Das 1975 ein­ge­weih­te Memorial für die rund 800.000 Men­schen, die vom September 1941 bis Ja­nuar 1944 in der von der deutschen Wehr­macht eingeschlossenen Stadt ihr Le­ben ließen, ist beein­druckend. Über die offene Vorhalle, die mit ihrer Archi­tek­tur die Blockade sym­bolisiert, ge­langt man in die von 900 Kerzen nur schwach beleuchtete unterirdische Ge­denk­halle.
Kaufhaus/Markt
Gostinyj Dwor: Das unter Katha­ri­na II. gebaute Kaufhaus ist das älteste ganz Russlands und wird, was seine Grö­ße anbelangt, in Russland nur noch vom Mos­kauer GUM übertroffen. Knapp ein Kilo­meter lang ist der Um­lauf unter den Arkaden des Gebäudes. Im Erd­geschoss reiht sich Geschäft an Ge­schäft: Juwelen, Schreib­waren, Schu­he, Kleider ... Man kann innen von einem Geschäft direkt ins nächste schlen­dern - oder draußen unter den Ar­kaden flanieren und mit den Augen shoppen.
Apraksin Dwor: Die Geschichte die­ses off­enen Markts geht wie die des nahen Gos­tinyj Dwor auf Katharina II. zurück. Seit einigen Jahren ist ein Abriss im Ge­spräch und in Teilen auch vollzogen. Aber noch wird hier ge­feilscht: Stoffe, Klei­der, viel Ramsch und gefälschte Mar­kenartikel - die Händ­ler stammen meist aus dem Kau­kasus. Der Apra­k­sin Dwor ist ein höchst lebendiger Markt, hat aber nicht den besten Ruf. Vor Taschendieben wird gewarnt.
Essen gehen
Das Angebot ist groß, die Speise­karte nicht selten ein Buch mit den Kapiteln kalte Vor­speisen, war­me Vorspeisen, Sup­pen, Salate, Fisch, Fleisch, Des­serts - ganz zu schweigen vom Ge­trän­ke­angebot, das stets auch Wodkas und Biere auf­lis­tet. Am besten, man bestellt sich erst einmal 50 Gramm Wod­ka und macht sich damit ans Studium.
Ausführliches zur russischen Küche siehe hier
Restaurants in den Stadtvierteln finden Sie am Ende der Stadttouren
Alle Restaurants kompakt und auf einen Blick siehe hier
Tipps zum Entziffern russischer Speisekarten siehe hier
Küchenvielfalt
Die russische Küche ist viel­fältig, auch Ve­getarier kom­men auf ihre Kos­ten. Zu­sätzlich findet man in der Stadt zahl­reiche andere Küchen: chi­nesische, ita­l­ie­nische („Mama Ro­ma“ mit vie­len Ab­le­gern), fran­zö­si­sche (meist teuer), und in neuester Zeit schie­ßen Sushi-Bars wie Pilze aus dem Peters­burger Bo­den. Bei Ein­hei­mi­schen sehr beliebt sind Res­tau­rants mit Spezialitäten aus Ge­or­gien, Aserbaidschan und Ar­me­nien und den dort wachsenden Wei­nen.
Küchenrussisch
Lokale, die sich an den Touris­mus ge­wöhnt haben, haben meist auch eine eng­lischsprachige Speise­karte. In klei­ner­en Gaststätten spricht vielleicht ein Kell­ner ein paar Brocken Englisch, sonst ist man auf Russisch­kenntnisse oder mimische Fähig­kei­ten an­ge­wie­sen.
Restaurants (ресторан), Cafés (кафе)
Das klassische Speiselokal ist das Res­tau­rant. Einen Tisch vorab zu reser­vier­en, er­weist sich oft als sinnvoll. Wer nicht reserviert hat, lässt sich vom Per­sonal einen Tisch zuweisen oder macht das Personal mit einer sach­ten Ges­te auf seine Anwesenheit auf­merk­sam. Eine ebenso gute Ver­pfle­gungsmöglichkeit sind oft auch die Cafés, von denen sich etliche gera­de­so gut Restaurant nennen könnten. Einige kleinere Cafés bieten mittags einen billigen Business-Lunch an (бизнес ленч), der aus drei Gängen (kei­ne große Auswahl) besteht und schnell ser­viert wird.
Self-Service-Restaurants, Stolowaja (cтоловая)
Die Atmosphäre ist nüchtern, Plas­tik­tische sind die Regel. Insoweit sind russi­sche Self-Ser­vice-Restau­rants ver­gleich­bar mit Fast-Food-Küchen im Wes­ten, zeigen aber ein we­sent­lich grö­ße­res An­ge­bot als diese. Zu den Self-Ser­vice-Res­tau­rants ge­hört auch die Sto­lo­waja, man­ch­mal nur eine Art Kan­tine.
Teremok (Теремок)
Das Wort bedeutet so viel wie „Turm­häus­chen“. In St. Peters­burg steht der Na­me für eine Kette von Buden, die Bliny (das russische Pen­dant zur bre­to­ni­schen Crêpe) mit allen denk­baren Füll­ungen an­bieten. Sie sind eine preis­wer­te, ideale Schnell­verpfle­gung für den Spazier­gänger.
Bars (бар)
Hier wird getrunken, in erster Linie Shots, Longdrinks und Bier. Gele­gent­lich gibt’s auch ein Häppchen zu essen. Teu­rer ist in der Re­gel die Bar im Lux­us­hotel, die Krone ge­bührt der Kaviar-Bar des Grand Hôtel Europe am News­kij-Prospekt.
Vom Aussterben bedroht
Nur noch selten trifft man auf diese Ver­köstigungs-Ein­rich­tun­gen:
Tscheburetschnaja (чебуречная) - der Na­me leitet sich von tscheburek (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen) ab, die dort angeboten werden.
Pischetschnaja (пышечная) - kleines Lo­kal, in dem pischki, eine Art (süßer) Krapfen aus Hefeteig, serviert werden. Da­zu wird Kaffee getrunken.
5 Tipps für 5 Abende
Mamaliga: Geräumig und doch stets voll, kaukasische Küche. Im Angebot sind Suppen, Eintöpfe, Salate, Chat­scha­puri (über­backenes Kä­se­brot) und, und, und - die Karte ist endlos.
Korjuschka: Die Lage mit Blick auf die Eremitage und die Strelka ist un­schlag­bar. Gerichte quer durch die rus­si­s­che Küche. Im April/Mai kommt auch der namengebende Korjuschka auf den Tisch, ein kleiner Fisch aus dem Finnischen Meerbusen.
Mickey & Monkeys: Großes, helles Lo­kal in der 1. Etage. Preiswerte 2- oder 3gängige Mittagsmenus (Salate, Sup­pe und Hauptgang zur Auswahl), die aller­dings nur in Russisch auf der Karte ste­hen. Sonst à la carte (in English). Viel jugendliches Publikum.
Mari Vanna: Der Gast fühlt sich in eine riesige russische Wohnstube aus der Nachkriegszeit versetzt. Die Küche ist durch und durch russisch: Borschtsch, hausgemachte Pelmeni, Schwei­ne­fleischspezialitäten. Eine haus­eigene Spe­zialität ist der Meer­rettich-Wodka, den man zum Abschied auch käuflich erwerben kann.
Ausgehen
Das Nachtleben in St. Pe­ters­burg braucht den Vergleich mit west­euro­päi­schen Metropolen nicht zu scheu­en. Discos und Clubs haben bis in den Morgen ge­öffnet. Be­son­ders an Wochen­enden wäh­rend der Weißen Näch­te, wenn die kaum u­n­ter­ge­gang­ene Sonne schon wieder auf­geht, sind die stets lauten Lokale oft bre­chend voll.
Mehr Clubs, Discos und Bars im Kapitel Nachtleben.
Newskij-Prospekt
Die zentrale Ader der Stadt pulsiert nicht nur tagsüber, sondern auch nachts. Gruppen von Jugendlichen - oft mit einer Bierdose in der Hand - schlen­dern über den Newskij und durch seine Seitenstraßen, konsul­tie­ren ihr Smart­phone, um zu erfahren, wer gerade wo ist und wo was abgeht. Paare - die Dame oft mit einem ge­schenk­ten Blu­menstrauß, den sie dann den ganzen Abend mit sich herum­tra­gen muss - suchen eines der zahllosen Res­taurants oder Cafés, Touristen bu­chen nicht sel­ten einen nächtlichen Boat Trip durch die Kanäle der Stadt, um die berühmten Paläste in ihrer Illu­mi­na­tion zu be­wun­dern. Meist erst nach Mitternacht blüht das Leben in den Clubs und Discos auf, am heißes­ten und am lautesten geht es in der Ecke Dumskaja uliza/Lomo­nos­so­wa uliza zu, wo trotz der ho­mo­pho­ben staat­lichen Politik die ein­hei­mi­sche LGBT-Community mit der Central Sta­tion ein Refugium hat. Eini­ge Clubs ver­langen einen be­schei­denen Ein­tritt, für Frauen weniger als für Män­ner, an­dere beschränken sich auf eine Ge­sichts­kontrolle, die der Aus­län­der in der Regel problemlos besteht. Ein­zig zu den Nightclubs („adult pleasure“), die ein­samen Männern ero­ti­schen Kitzel ver­sprechen, ist der Ein­tritt hoch.
Die Quais der Newa
Vor allem in den Weißen Nächten, von An­fang Juni bis Mitte Juli, wenn die Sonne, kaum untergegangen, schon wie­d­er aufgeht und die Temperaturen men­schenfreundlich sind, flanieren die Pe­tersburger gern an den Quais der Ne­wa, am liebsten zwischen dem Win­ter­pa­last und dem berühmten Denkmal des Ehernen Reiters oder am Ufer der ge­gen­über­liegenden Wassiljewskij-In­sel, wo nachts die Ostspitze, die Strel­ka, mit ihrem angestrahlten Spring­brun­nen das op­ti­sche Zen­trum ist.
Spektakulär wird’s nach ein Uhr früh, dann gehen die ers­ten von ins­ge­samt 13 Brücken der Stadt hoch. Zwi­schen der Schloss­brü­c­ke und der Bla­go­wesch­tschen­s­ki-Brücke strö­men die Mas­sen zu­sam­men, Tou­ris­ten zücken die Ka­mera und po­sie­ren für ein Selfie mit dem Hin­ter­grund der be­leuch­te­ten, sich öff­nenden Brücke. Ragt die Brü­cke dann zwei­ge­teilt senk­recht in den Him­mel, setzt sich eine schier endlose Ka­ra­wane schwe­rer Schif­fe mit dem Ziel Fin­ni­scher Meer­busen in Bewe­gung. Auf­ge­passt: Bevor die Brücken hoch­ge­hen, sich ver­ge­wissern, dass man auf der rich­tigen Flussseite steht, sonst kann der Nach­hau­seweg um­ständlich wer­den.
Wassiljewskij-Insel
Auch die Wassiljewskij-Insel hat ihre abendliche Ausgehmeile, selbst wenn sich diese auf das kurze Stück Fuß­gänger­zone der 6./7. Linie zwischen der Metrostation Wassileostrowskaja und dem Bolschoi-Prospekt beschränkt. Tou­risten sind selten hier, meist sind es Inselbewohner, die zwischen Cafés und Schnellimbissen flanieren und einen Tisch im Freien suchen: sehen und gesehen werden.
5 Tipps für 5 Abende
Zoom: Das Café ist seit Jahren ein Renner beim studentischen Publikum. Tagsüber sieht man Schachspieler, Zei­tungs­leser, Laptop-Arbeiter oder ein­fach Leute, die sich zu einem Bier tref­fen. Ab 19 Uhr ist in der Regel kein Platz mehr zu bekommen. Reser­vie­rung geboten, dann kann man hier bis weit in Nacht essen und zechen.
Fidel: Ob’s dem Máximo Líder hier ge­fallen hätte, weiß man nicht. Jeden­falls wäre der Namensgeber des Clubs besser nicht vor Mitternacht gekom­men, denn bis dahin ist im Fidel ab­so­lut nichts los, erst gegen 2 Uhr kommt der Laden in Schwung. Dann aber richtig. Wechselnde DJs legen Rock und Tech­no auf.
Money Honey: Der Club am Rand des seit Jahren vom Abriss bedrohten Aprak­sin-Markts ist vor allem bei rus­si­schen Studentinnen und Studenten beliebt, die hier auf zwei Etagen zu Rock­klängen, live oder vom DJ ge­steu­ert durch die Nacht tanzen.
Jazz Philharmonic Hall: Das 1989 vom Petersburger Jazzmusiker Dawid Sem­jo­nowitsch Goloschtschokin gegrün­de­te Lokal ist die Adresse für den gepflegten klassischen Jazz-Abend. Mit seinen über 70 Jahren bestimmt Golosch­tscho­kin auch heute noch ein Programm, das sich durch hohe Qualität auszeichnet. Ge­le­gent­lich tritt der Meister auch selbst auf - mit Violine, Saxo­phon, Vibraphon, am Piano oder am Schlag­zeug.