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Unterwegs mit Michael Müller
Gründerphase eines Reisebuchautors, überquellender Tatendrang.
Auf nach Italien! Ganz Italien? Mittelitalien? Die Toscana kannte ich schon. Sie war Sehnsuchtsregion und Titel des erst zweiten Buches meines noch blutjungen Unternehmens. Während ich die roten Zahlen auf den Kontoauszügen ignorierte, befeuerte mich eine enorme Entdeckerlust. Was sind schon Grenzen, wenn man ein Land erkunden will?!
So gelangte auch Umbrien ins Toscanabuch. Und der Bolsena See, der ja eigentlich im Latium liegt, also auf der anderen Seite des Grenzverlaufs ... Irgendwann ist Umbrien zu einem eigenständigen Buch geworden - genauso die Südtoscana mit ihren Weinstädtchen und Etruskerwegen.
Was ich mir trotz aller verlegerischen Aufgaben nicht nehmen lasse: die Recherche, die Entdeckerlust. Für die 5. Auflage der „Südtoscana“ wollte ich wieder mal einen Ausflug testen, der meine uralte Freude zum Thema hat: die Grenzüberschreitung, das Neue. Übers Latium führt er zur Einsiedelei von Poggio Conte, eine in Tuffstein gehauene magische Unterkunft, mit einem Foto, das schon viele Auflagen gesehen hat und von einem ehemaligen Verlagsautoren und Namenskollegen, Martin Müller, geschossen wurde. Es trägt die pfiffig-boshafte Bildunterschrift „My cave is my castle“. Meine Neugierde war groß, als ich wieder einmal dorthin unterwegs war. Und zwar zu Fuß, back to the roots sozusagen. Eine herrliche Wanderung spannte sich vor mir auf. Es ging durch weite Felder entlang einer Flussvertiefung, in der man in hochwasserfreien Zeiten ein erfrischendes Bad nehmen kann.
Während des Rückwegs dachte ich mir: Je besser man eine Gegend kennt, desto mehr entdeckt man neu.
Südtoscana - Die Vorschau
Stadt, Land, Meer
Unbestrittener Hauptort der südlichen Toscana ist Siena. Keine Renaissance-Bauten wie in Florenz, sondern pures Mittelalter: enge Gassen, dunkle Paläste und mit dem Campo eine Piazza, die zu Recht als die schönste ganz Italiens gilt. Östlich von Siena erheben sich die karg bewachsenen, lehmigen Crete Senesi, im Westen die Colline Metallifere, wo noch im 20. Jahrhundert Eisenerz abgebaut wurde. Südlich von Siena lockt das saftig grüne Val d’Orcia mit dem Renaissance-Reißbrettstädtchen Pienza im Zentrum, und noch weiter im Süden ragt der Monte Amiata, ein erloschener Vulkan, aus der Landschaft, dessen Gipfel gelegentlich in den Wolken steckt. Hinter dem Amiata öffnet sich die einsame Hügellandschaft der Maremma, bekannt für die Quellen von Saturnia und das Tuffstädtchen Pitigliano. Und schließlich hat die Südtoscana auch ihre Strände. Der quirligste Badeort an der Maremmaküste ist das bei italienischen wie ausländischen Touristen beliebte Fischerstädtchen Castiglione della Pescaia. Auf der Halbinsel des Monte Argentario weiter südlich tummelt sich der italienische Geldadel, dem Argentario vorgelagert ist die Giglio-Insel, ein 21 km2 großer Granitfels mit malerischen Buchten und familienfreundlichen Sandstränden.
Gaumenfreuden und noble Tropfen
Die südtoscanische Küche gibt sich bodenständig und ist gern mit allerlei Kräutern gewürzt. Als Primo findet man im ohnehin reichen Pasta-Angebot gelegentlich Pici, eine Art kurze, dicke Spaghetti, stets handgemacht, um deren Erfindung sich die Städte Montepulciano und Chiusi bis heute streiten. Für den Hauptgang erweist sich das Chianina-Rind, das südlich von Chiusi im Valdichiana weidet, als hervorragender Fleischlieferant. In der Maremma kommt zur Jagdzeit das mit Pilzen garnierte Wildschwein auf den Teller, an der Küste jahraus, jahrein der frisch gefangene Fisch. Für den regionalen Nachtisch sorgt ein Pecorino-Käse aus Pienza. Und stets will ein gutes Essen von einem guten Tropfen begleitet sein. Ein gewöhnlicher Roter von Montepulciano passt hervorragend zur bodenständigen Küche. Tiefer in die Tasche greifen muss man für eine Flasche des kräftigen Vino Nobile di Montepulciano, dem in Sachen Preis und Prestige nur noch der Brunello aus dem nahen Montalcino den Rang abläuft. Im Maremma-Städtchen Scansano kommt der weniger bekannte, rubinrote Morellino auf den Tisch. Buon appetito!
Kunst gestern und heute
Noch bevor Leonardo da Vinci und Michelangelo in Florenz Kunstgeschichte schrieben, war die Sienesische Schule bekannt. Ihre bedeutendsten Vertreter waren Duccio di Buoninsegna und dessen Schüler Simone Martini, deren Werke in der Pinacoteca Nazionale und im Palazzo Pubblico von Siena zu sehen sind, darunter auch Martinis berühmter „Guidoriccio da Fogliano“ bei der Belagerung von Montemassi. Ein höchst dekoratives Bild, in dem noch die gotischen Ursprünge der Sienesischen Schule durchschimmern. Später erreichte von Florenz aus die Renaissance schnell auch die Südtoscana: Eindrücklichstes Beispiel ist der von Sodoma und Luca Signorelli geschaffene Freskenzyklus im Kreuzgang des Klosters Monte Oliveto Maggiore in den Crete Senesi.
Wer mit sakraler Kunst nichts anzufangen weiß, hält sich an der zeitgenössischen Kunst schadlos. Bei San Giovanni d’Asso hat der amerikanische Konzeptkünstler Sheppard Craige seine eigene Parklandschaft gestaltet, und ganz im Süden stößt man bei Capalbio auf den Giardino dei Tarocchi mit den farbenfrohen Skulpturen der weltberühmten, 2002 verstorbenen Polyester-Künstlerin Niki de Saint-Phalle. Auch Kinderherzen schlagen hier höher.
Etrusker
Woher die Etrusker kamen, ist umstritten. Man weiß überhaupt recht wenig über sie, schriftliche Zeugnisse hinterließen sie vor allem in Form von Grabinschriften, wirklich verstehen kann man ihre Sprache bis heute nicht. Fest steht jedenfalls, dass die Etrusker schon vor den Römern auf dem Gebiet der heutigen Toscana zugange waren, und ebenso sicher ist, dass sie mit dem Aufstieg Roms untergingen. Immerhin ist ihr Name erhalten geblieben: Die Römer nannten sie „Etrusci“ oder „Tusci“, woraus sich Toscana entwickelt hat.
In der Südtoscana haben die Etrusker zahlreiche Spuren hinterlassen. Nekropolen und monumentale Kuppelgräbern sind bei Vetulonia und bei Chiusi zu besichtigen, ein äußerst aufwendig gestaltetes Tempelgrab bei Sovana. Chiusi, eine der wichtigsten Städte des etruskischen Zwölfstädtebunds, ist heute Sitz des Museo Etrusco, eines nationalen archäologischen Museums für etruskische Kultur, in dem die Grabfunde (Urnen und Schmuck) gut verwahrt sind. Unterhalb von Chiusi soll einem römischen Chronisten zufolge das gigantische Grabmal des legendären Etruskerfürsten Porsenna liegen - nur gefunden hat den Schatz mit goldenen Figuren in Hülle und Fülle bislang noch keiner.
Wandern und Radfahren
In jüngster Zeit haben auch die Italiener, die sonst ihr Land lieber motorisiert erkunden, das Wandern entdeckt. In einigen Gebieten der Südtoscana, so im Val d’Orcia, wird inzwischen ein professionell markiertes Wanderwegenetz unterhalten, andernorts beschränken sich die Behörden auf oft unzulängliche Schilder am Wegrand, und der Wanderer ist auf Kartenmaterial und seine gute Spürnase angewiesen. Besonders beliebt sind Wanderungen auf den etruskischen Hohlwegen zwischen Pitigliano, Sovana und Sorano. Natur pur bietet der über 70 km2 große Naturpark der Maremma, wo verschieden lange Wege angelegt sind und man auch ein erfrischendes Bad im Meer einplanen kann.
Radfahrer meiden Verkehrslärm, Abgase in der Nase und andere Unannehmlichkeiten des motorisierten Verkehrs. Sie strampeln mit Vorliebe über Neben- und Schotterstraßen. Geeignet ist das Weingebiet um Montalcino, wo der berühmte Brunello gezogen wird. Sportlich Ambitioniertere touren durch die Maremmahügel.
Heißes Wasser
An zahlreichen Stellen in der Südtoscana sprudelt heißes Wasser aus dem Boden. Kurbäder sind in die Jahre gekommen, heute heißt das Zauberwort „Wellness“ oder „Benessere“, wie der Italiener sagt. In San Casciano, Saturnia und Bagno Vignoni sind luxuriöse Wellnessanlagen entstanden, in denen vor allem die italienische Oberschicht mit Fitness, Massagen und Faltenfüllern ihrer Bellezza huldigt. Daneben findet der Reisende auch erschwingliche Thermalbäder, in Rapolano Terme hat er gleich zwei zur Auswahl. Am abenteuerlichsten aber bleibt nach wie vor das kostenlose Thermalbad in der freien Natur. Beliebt sind die Flussbäder von Bagni di Petriolo und Bagni San Filippo. Ungeschlagener Favorit unter den frei zugänglichen heißen Wassern bleiben jedoch die gern auch nachts besuchten Cascate del Mulino bei Saturnia, wo das schweflige Wasser mit 37,5 Grad den Felsen hinunterstürzt und wunderbare Sinterbecken geschaffen hat.