Inhaltsverzeichnis
Unterwegs mit Robert Zsolnay
Präambel
Impressum
Was haben Sie entdeckt?
Vielen Dank!
Shanghai: Die Vorschau
Hintergründe
Stadtaufbau und Orientierung
Chinas Boom-City
Stadtgeschichte
Architektur
Kleiner Shanghai-Knigge
Literaturtipps
Praktische Infos
Anreise
Unterwegs in Shanghai
Übernachten
Essen und Trinken
Nachtleben
Kultur & Co.
Shopping und Märkte
Wo finde ich was?
Sport und Wohlbefinden
Mit Kindern in Shanghai
Wissenswertes von A bis Z
Ärztliche Versorgung
Behinderungen
Bettler und Schlepper
Bibliothek
Diplomatische Vertretungen
Drogen
Ermäßigungen
Feiertage und Feste
Fotografieren
Fundsachen
Geld
Goethe-Institut
Haustiere
Impfungen
Information
Internet
Klima und Reisezeit
Kriminalität
Lesben und Schwule
Notruf
Öffnungszeiten
Post
Radio
Rauchen
Sprachkurse
Stadtplan
Strom
Telefon
Toiletten
Trinkgeld
Verhalten
Visum und Reisedokumente
Wasser
Zeit
Zeitungen/Zeitschriften
Zoll
Stadttouren
Der Bund
Tour 1: Kolonial-Ambiente mit Ausblick
Sehenswertes
Praktische Infos
Die Altstadt
Tour 2: Wo Shanghais Herz schlägt
Sehenswertes
Praktische Infos
Pudong
Tour 3: Das Gesicht der Zukunft
Sehenswertes
Praktische Infos
Platz des Volkes, Nanjing Road
Tour 4: Alter Glamour und neuer Glanz
Sehenswertes
Praktische Infos
Shanghai Museum (Shanghai Bowuguan) 上海博物馆
Französische Konzession
Tour 5: Flanieren unter Platanen
Sehenswertes
Praktische Infos
Abstecher: Longhua-Kloster (Longhua Si) 龙华寺
Nördlich der Avenue Joffre
Tour 6: Moderner Schick und alter Charme
Sehenswertes
Praktische Infos
Abstecher: Jade-Buddha-Kloster (Yufo Si) 玉佛寺
Central District
Tour 7: Kommerz und Art déco
Sehenswertes
Praktische Infos
Hongkou
Tour 8: Auf den Spuren der Literaten
Sehenswertes
Praktische Infos
Tilanqiao
Tour 9: Das jüdische Ghetto
Sehenswertes
Praktische Infos
Hangzhou
Sehenswertes
Information
Suzhou
Sehenswertes
Praktisches
Kleiner Sprach-Assistent
Übersichtskarten und Pläne
Index
Alles im Kasten
Der Huangpu
Expo 2010: eine Meerjungfrau und kilometerweise Apfelstrudel
Mahjong kann süchtig machen
Mega-City in Zahlen
Tortur des Füßebindens
Dynastien
Du Yuesheng - der Pate von Shanghai
30. Mai 1925 - Vorbote der Revolution
Kapitale der Sünde
Reihenhäuschen à la Shanghai - die Lilong-Siedlungen
Genussmeilen
Jahreszeiten-Küche
Shanghai-Karaoke
Kultur-Evolution - Galerist Lorenz Helbling
Die Kunst der Kopie
Feilschen erlaubt
Qipao - Liebling der Ladys
Tee - Schaum von flüssiger Jade
Deutsche Spuren am Bund
Protestmeile Bund
Konfuzius
Laotse und der Daoismus
Wolkenstürmer
Verbannte Brautpaare
Schnelle Pferde, hohe Wetten
Tempel und Klöster
Buddhismus in China
Architekt und Abenteurer: Ladislav Hudec
Lu Xun und Mao Dun - Shanghais literarische Klassiker
Ticket nach Shanghai - Weg in die Freiheit
Die Willkür des Konah Goya
Seide - mehr als ein Stoff
Jahrhundertwerk Kaiserkanal
Gärten der Freude
Kartenverzeichnis
Tour 1: Kolonial-Ambiente mit Ausblick
Tour 2: Wo shanghais herz schlägt
Tour 3: Das Gesicht der Zukunft
Tour 4: Alter Glamour und neuer Glanz
Shanghai Museum EG
Shanghai Museum 1OG
Shanghai Museum 2OG
Shanghai Museum 3OG
Tour 5: Flanieren unter Platanen
Tour 6: Moderner Schick und alter Charme
Tour 7: Kommerz und Art déco
Tour 8: Auf den Spuren der Literaten
Tour 9: Das jüdische Ghetto
Hangzhou
Suzhou
Shanghai Übersicht
Legende Shanghai
Metroplan Shanghai
Unterwegs mit Robert Zsolnay
Beim ersten Mal verschlägt es einem fast die Sprache - wow, was für eine Kulisse! Kolonialer Glanz und Stadtteile wie aus dem Sciencefiction, Häuser so hoch und extrem in ihrer Form, dass sie in Europa jedes Maß sprengen würden. Wer unterwegs ist in Shanghai, mit mehr als 20 Millionen Einwohnern eine der Mega-Cities des Globus, gerät ins Staunen ob all des Trubels zwischen Kolonialpalästen, Wolkenkratzern und Pagoden. London, New York, Tokio - keine dieser Städte kann Chinas Handelsmetropole in punkto Lebendigkeit das Wasser reichen. Klar wünsche ich mir jedes Mal schon bald ein wenig Ruhe, aber nach einer Verschnaufpause in einem Teehaus oder einer Tempelanlage zieht es mich wieder hinaus in den Strudel des quirligen und häufig lauten Shanghaier Lebens.
„Better city, better life“ - mit diesem Slogan warb die Perle am Jangtse für die Weltausstellung 2010. Viele Shanghaier warten noch immer darauf, dass sich diese Worte für sie erfüllen: Es gibt Armut in Chinas reichster Stadt, es gibt Luftverschmutzung und um die Meinungsfreiheit steht es hier nicht besser als im Rest des Landes. Dennoch: Von Shanghai, mit seiner abwechslungsreichen Architektur, seinem Nachtleben, seinen Museen und kulinarischen Köstlichkeiten wird zu Recht behauptet, es sei das Schaufenster Chinas in den Westen - ein Schaufenster, das mich noch jedes Mal mit Neuem überrascht hat.
Präambel
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Impressum
Text und Recherche: Robert Zsolnay Lektorat: Horst Christoph Redaktion: Ute Fuchs Layout: Mirko Graf Karten: Janina Baumbauer, Carlos Borell, Torsten Böhm, Theresa Flenger, Judit Ladik, Gábor Sztrecska Fotos: s. Fotonachweis Covergestaltung: Karl Serwotka Covermotive: unten: Skyline Pudongs am Morgen (Chris Spira), oben: Dach des Xiahai-Tempels (Robert Zsolnay).
(Hinweis: Die Seitenzahlen beziehen sich auf das gedruckte Buch).
Fotonachweis
China Eastern Airline (S. 64), Luisa Zsolnay (S. 16/17, 200, 244), alle anderen Robert Zsolnay
(Hinweis: Die Seitenzahlen beziehen sich auf das gedruckte Buch)
3. aktualisierte Auflage 2016
ISBN Print: 978-3-95654-242-8
ISBN ePub: 978-3-95654-512-2
© Copyright Michael Müller Verlag GmbH, Erlangen 2009 - 2016. Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Druck: Stürtz GmbH, Würzburg.
Die in diesem Reisebuch enthaltenen Informationen wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und von ihm und dem Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Dennoch sind, wie wir im Sinne des Produkthaftungsrechts betonen müssen, inhaltliche Fehler nicht mit letzter Gewissheit auszuschließen. Daher erfolgen die Angaben ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autors bzw. des Verlags. Autor und Verlag übernehmen keinerlei Verantwortung bzw. Haftung für mögliche Unstimmigkeiten. Wir bitten um Verständnis und sind jederzeit für Anregungen und Verbesserungsvorschläge dankbar.
Was haben Sie entdeckt?
Haben Sie ein empfehlenswertes Restaurant oder ein gemütliches Teehaus entdeckt? Chinas größte Stadt birgt immer wieder neue Überraschungen. Wenn Sie Tipps, Anregungen oder Verbesserungsvorschläge haben, schreiben Sie uns:
Robert Zsolnay, Stichwort „Shanghai“ | c/o Michael Müller Verlag GmbH
Gerberei 19, D - 91054 Erlangen | robert.zsolnay @michael-mueller-verlag.de
Vielen Dank!
Mein Dank für wertvolle Hinweise geht an die Leser Johannes Hofmann, Birgit Schäfer, Cecilia Liu, Philipp Gegner, Jürgen Kintrup, Michael Waldegg, Ruedi Nöthiger, Thomas Fischnaller, Leonhard Schrenker, Marcus Kettler.
Mönche im Jade-Buddha Kloster schreiten zu einer Zeremonie
Beili Yang hat Orts- und Adressangaben mit großer Genauigkeit ins Chinesische übertragen. Ohne die Gastfreundschaft und die vielen Tipps von Jennifer und Janis gäbe es dieses Buch nicht in dieser Form. Xièxie!
Shanghai: Die Vorschau
Stadt der Kontraste
Die Mega-City am Huangpu-Fluss ist ebenso faszinierend wie zwiespältig: Da raubt einem nachts die funkelnde Skyline ebenso den Atem, wie es tagsüber die bisweilen schlechte Luft macht. Da staunt man angesichts der Pracht alter Kolonialbauten ebenso wie über die bedenklichen sanitären Verhältnisse mancher alter Wohnquartiere. Rasende Dynamik, alte Pagoden und neue Wolkenkratzer gehören ebenso zu Chinas Handelsmetropole wie schier endlose Staus, lärmende Baustellen und im Abfall wühlende Bettler. Noch 1991 waren in Shanghai nur sechs Gebäude höher als 100 Meter, heute sind es tausende. An rasante Veränderungen ist die 23-Millionen-Einwohner-Stadt, gelegen an der Mündung von Chinas Lebensader Jangtse in den Pazifik, jedoch gewohnt. Einst ein ärmliches Fischerdorf, stieg Shanghai in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur ersten Metropole im Reich der Mitte auf - ein Rang, den die Stadt im 21. Jahrhundert wieder innehat. Noch immer gilt, was Aldous Huxley 1926 schrieb: „In keiner Stadt, im Westen wie im Osten, hatte ich jemals solch einen Eindruck von konzentriertem, üppigem, geballtem Leben.“
Vom Tempel auf die Tanzfläche
Im Morgendunst des Huangpu-Flusses üben sich Frauen und Männer elegant im Tanz mit Schwertern und Fächern. Am gegenüber liegenden Ufer glänzen und schimmern die Fassaden gewagter Hochhaus-Architektur. Eine Magnetschwebebahn katapultiert Ankömmlinge mit 430 Kilometern pro Stunde vom Flughafen in die Stadt, deren zukunftstrunkene Bewohner in den Tempeln ehrfurchtsvoll Räucherstäbchen abbrennen, um Buddha, Konfuzius und andere gnädig zu stimmen. Nicht wenige, die in den Tempeln nach Spiritualität suchen, frönen Stunden später in lässigen Bars und Clubs den Vergnügungen der Nacht, andere gehen sommers nach Feierabend in ihren Wohnvierteln in Schlafanzügen einkaufen und erfreuen sich in den Parks an exotischen Leibesübungen wie dem Rückwärtsgehen.
Kulinarische Vielfalt
Man nehme die Knospen austreibender Sojasprossen, höhle sie aus, fülle sie jeweils mit einem Kaviarkügelchen und bereite daraus eine Suppe zu. Fertig ist eines jener Gerichte, das Shanghaier Starköche zaubern. Virtuos wird in den Küchen mit Farbe, Aroma, Form und Festigkeit gespielt. Am Huangpu können Feinschmecker alle Regionalküchen Chinas probieren, international essen oder experimentierfreudige Fusion-Küche erleben. Die Köche der Stadt gelten als Meister der Saucen. Ganz zu schweigen von einfacheren, aber ebenso leckeren Speisen wie den Xiaolongbao oder Baozi, gefüllten Teigtaschen, die fast an jeder Straßenecke angeboten werden.
Spaziergänge und Shopping
Shanghai bietet Gelegenheit, das neue China schlendernd zu entdecken. Die Stadt über dem Meer ist zwar die größte im Reich der Mitte, ihre interessantesten Ecken und Winkel aber kann man gut zu Fuß erkunden. Die Skyline der Häuser-Riesen am Ostufer des Huangpu mit dem Oriental Pearl Tower als Wahrzeichen ist längst zu einer Ikone für Asiens neue Hauptstadt geworden. Gegenüber ducken sich bescheiden, aber nicht weniger prächtig die Kolonialbauten aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts, aus jener Zeit, als Shanghai bereits einmal die modernste und weltoffenste Metropole Asiens war. Der Yuyuan-Garten und das Huxinting-Teehaus in der alten Chinesenstadt aus dem 16. Jahrhundert sowie das mehr als 1000 Jahre alte Longhua-Kloster gewähren Einblicke in den alten Glanz der Kaiserzeiten. Wer durch die Straßen stromert, findet mit Luxusprodukten dekorierte Schaufenster und schlichtere Traditionsgeschäfte. Seide, Tee und Porzellan waren bereits vor Jahrhunderten chinesische Exportschlager und sind es noch heute. Das Shanghai der Gegenwart hat aber viel mehr zu bieten: Man kann durch die trendigen Boutiquen der ehemaligen Französischen Konzession spazieren und nach Designerkleidung stöbern. Damen können sich preiswert einen maßangefertigten Qipao - ein elegantes Seidenkleid - schneidern lassen, Männer Anzüge und Hemden.
Architektur und Kunst
Shanghai birgt viele Pretiosen der Baukunst. Am Bund, der früheren Kaimauer, paradieren Banken-, Versicherungs- und Handelspaläste der Kolonialzeit. Das einstige Cathay-Hotel (jetzt: Fairmont Peace Hotel) schwelgt im Art déco, die Hongkong and Shanghai Bank im Klassizismus. Auch die Villen der früheren Französischen Konzession sind eine Augenweide. Wer sich für futuristische Architektur begeistert, schaut sich am People’s Square oder in Pudongs Finanzviertel Lujiazui um, das anmutet wie eine Stadt des Übermorgen. Das Shanghai Museum ist das wohl beste Museum des Landes für alte chinesische Kunst. Die Shanghai Biennale schließlich rückt Gegenwartskunst in den Mittelpunkt.
Artisten und Pandabären
Chinesen sind kinderfreundlich. Das spiegelt sich im Shanghaier Alltag wie in den Parks der Stadt, wo sich reichlich Spielgerät für den Nachwuchs findet. Auf kleine wie große Kinder wartet viel Interessantes, angefangen vom Aquarium über den Zoo und das Science and Technology Museum bis hin zum 2016 eröffneten Disneyland. Älteren Töchtern und Söhnen werden auch eine Hafenrundfahrt und ein Besuch in einer der Tempelanlagen in Erinnerung bleiben. Ganz zu schweigen von den schwindelerregenden Blicken, die schöne Aussichtspunkte auf das Hochhäuser-Meer gestatten.
Tischsitten und Umgangsformen
Mag die graue Zeit des Mao-Kommunismus die Stadt über dem Meer in eine Art Dornröschenschlaf versetzt haben, so ist sie daraus längst erwacht. Das Gros der europäischen China-Investitionen fließt in die Gegend des Jangtse-Deltas. Die Metropole am Huangpu ist nicht nur Ziel von Künstlern, Trendsettern und Träumern, sondern auch von Geschäftsleuten. Mehr als 200.000 Ausländer (sogenannte Expatriots) leben nach offiziellen Angaben in Shanghai. Auch viele deutschsprachige Manager haben dort zu tun. Für sie bietet unser Buch den „Kleinen Shanghai-Knigge“ und nennt hilfreiche Anlaufstellen bei längeren Aufenthalten, beispielsweise für Sprachkurse und für Expat-Treffen.
Hintergründe
Stadtaufbau und Orientierung
Am Platz des Volkes ...
Die größte Stadt des Reichs der Mitte - dieser Titel flößt Respekt ein. Dennoch kann man sich in Shanghai schnell zurechtfinden, der Aufbau der Stadt lässt sich bis in unsere Tage gut nachvollziehen: Bis zur Ankunft der ausländischen Mächte Mitte des 19. Jh., die für rund einhundert Jahre das Schicksal der Stadt bestimmen sollten, bestand Shanghai aus der Altstadt, die von einer Stadtmauer umgeben war, sowie umliegenden Streusiedlungen. Die britischen Kolonialherren ließen sich zunächst in gebührendem Abstand nördlich der Stadtmauer am Huangpu-Ufer nieder. Ihre ersten Gebäude errichteten sie direkt am Fluss, später erschlossen sie auch das Gebiet dahinter - der Bund, die einstige Kaimauer an der Westseite des Huangpu, sowie die angrenzenden Straßenzüge zeugen von dieser Phase der Stadtentwicklung.
Die Altstadt steht noch in Rudimenten, der Verlauf der großteils abgerissenen Stadtmauer entspricht der Ringstraße, die den alten Kern heute umschließt. Die US-Amerikaner besetzten das Gebiet nördlich des Suzhou Creek, eines Zuflusses des Huangpu. Wenig später angelten sich die Franzosen das Land unmittelbar vor dem nördlichen Stadttor und weiteten ihre Siedlungen westlich der sogenannten Alten Chinesenstadt aus.
Für Touristen sind vor allem die Reste der Alten Chinesenstadt, die Uferpromenade Bund, der neue Stadtteil Pudong sowie die ehemaligen ausländischen Stadtviertel interessant. Die Siedlungen der Ausländer werden der Geschichte getreu auch Konzessionen genannt - weil der Kaiser nach der Niederlage im Opiumkrieg (1840-1842) gezwungen war, den Imperialisten Siedlungsgebiete abzutreten.
Hilfreich für die Orientierung in der 23-Millionen-Metropole ist es, sich die chinesischen Wörter für die vier Himmelsrichtungen einzuprägen. Das beginnt schon bei der Anreise. Denn heutzutage nähert sich der Reisende der „Stadt über dem Meer“ („shang“ bedeutet „über“, „hai“ heißt „Meer“) in der Regel nicht mehr mit dem Schiff über den Ozean und den Huangpu, sondern er landet auf dem Flughafen Pudong. Damit befindet er sich, wie der Name verrät, östlich des Flusses, denn „pu“ heißt Fluss und „dong“ steht für Osten. Über Brücken oder unterirdisch mit der Metro queren Ankömmlinge den Huangpu und gelangen nach Puxi, sprich in die Gegend „westlich des Flusses“, denn „xi“ heißt Westen.
Auch bei der Orientierung in Shanghais Straßen, von denen nicht wenige kilometerlang sind, hilft das Kompass-Vokabular. Nehmen wir die Nanjing Lu, eine der bekanntesten Straßen in Chinas größter Stadt. „Lu“ heißt Straße und die Nanjing Lu als Ost-West-Achse teilt sich in eine Nanjing Dong Lu, also eine östliche Nanjing-Straße, sowie eine Nanjing Xi Lu, sprich einen westlichen Abschnitt.
Besonders lange Straßen tragen im mittleren Teil den Zusatz „zhong“. Beispielsweise gibt es die Huaihai Lu, eine der beliebtesten Einkaufsstraßen Shanghais in dreifacher Ausführung, nämlich als Huaihai Dong Lu, Huaihai Zhong Lu sowie Huaihai Xi Lu, womit der östliche, der mittlere sowie der westliche Abschnitt ein und derselben Straße gemeint ist.
Bei Nord-Süd-Achsen wie der Sichuan Lu unterteilt sich das Asphaltband in eine Sichuan Nan Lu, einen südlichen Teil, sowie eine Sichuan Bei Lu, womit der nördliche Abschnitt bezeichnet wird.
Mit diesem kleinen Kurs in Sprache und Geografie sollten Sie in der Mega-City nicht verlorengehen, zumal alle Straßenschilder auch auf Englisch beschriftet sind. Mit diesem Buch, hilfreichen Apps und einer aktuellen Touristen-Straßenkarte (gibt es gratis am Flughafen) werden Sie sich in der Stadt gut zurechtfinden - auch wenn es ab und an etwas knifflig werden kann. Wichtig und ebenfalls sehr hilfreich ist ein freundliches Lächeln, wenn Sie jemanden um Rat fragen.
Hilfe bieten auch: www.smartshanghai.com (Druckfunktion für chinesische Adressen), die App Shanghai Taxi Guide and Offline Maps (übersetzt englische Zielangaben ins Chinesische und hält englische Stadtpläne bereit, ca. 9,99 Euro) und Explore Shanghai (App für die Metro-Routenplanung, ca. 1 Euro).
Der Huangpu
Auf dem Huangpu herrscht das ganze Jahr über ein Verkehr wie auf der Brenner-Autobahn zur Hauptreisezeit: Unablässig schleppen Binnenfrachter und Schubkähne Holz, Zement und anderes Baumaterial heran, bringen Containerschiffe Waren herbei. Obwohl der Fluss, der die Stadt in eine moderne (Pudong) und in eine alte Hälfte (Puxi) teilt, nur rund 100 Kilometer lang ist, hat er große wirtschaftliche Bedeutung: Rund ein Drittel aller Einfuhren Chinas kommen über ihn ins Land.
Zum regen Treiben auf dem Huangpu tragen auch viele Personenschiffe bei, von denen einige nachts als überdimensionale, schwimmende Werbetafeln übers Wasser gleiten und die Skyline Pudongs noch stärker funkeln lassen.
Als spektakulärste der vier innerstädtischen Brücken spannt sich die Lupu-Brücke über den Wasserlauf. Sie ist mit einer Länge von 3,9 Kilometern und einer Spannweite von 550 Metern die größte Bogenbrücke der Welt.
Der Huangpu entspringt am Dianshan-See und mündet in den Jangtse. Knapp 30 Kilometer sind es vom Bund bis zur Mündung. Es lohnt sich, diese Strecke auf einem Ausflugsschiff zu erfahren: Bei einer Flussfahrt lässt sich nicht nur der Kontrast zwischen dem alten Bund und dem modernen Pudong erleben, auf der gesamten Strecke wartet Sehenswertes: vom alten, festungsähnlichen Yangshupu-Wasserwerk über die großen Werften bis hin zur imposanten Yangpu-Brücke, deren Stahlseile sich in den Himmel spannen wie die Saiten einer gigantischen Harfe. Das Wasserwerk mit seinen markanten Zinnen steuert übrigens noch heute seinen - wenn auch bescheidenen Anteil - zur Versorgung der Mega-City bei.
Empfehlenswert ist die knapp dreistündige große Huangpu-Fahrt, weil sie wesentlich mehr bietet als die einstündige Alternative. Die 60 Kilometer lange große Tour führt vorbei an Werften, Kraftwerken und einer Raffinerie bis zu jener Stelle, an der sich Huangpu, Jangtse und Ostchinesisches Meer in spritzender Gischt majestätisch vereinen. Ein Leuchtturm markiert die Stelle, wo sich die Wasser mischen. Der Jangtse, längster Strom Asiens und Chinas große Lebensader, fließt auf rund 6300 Kilometern von seiner Quelle im Hochland Tibets bis nach Shanghai, wo er in den Pazifik mündet.
Kurz bevor die Ausflugsschiffe auf dem Huangpu die Mündung erreichen, passieren sie Fort Wusong - historisch bedeutsam, weil es den Chinesen im Juni 1842 an dieser Stelle nicht gelang, die Briten zu stoppen. Nach kurzer Schlacht konnten 16 britische Kriegsschiffe, die rund 4000 Soldaten trugen, den Huangpu hinaufstampfen und die Besatzung unweit der Stadtmauern der Altstadt an Land gehen. So begann Shanghais rund 100 Jahre währende Fremdherrschaft.
Die Ausflugsboote legen vom Shiliupu Dock ab, das rund 10 Min. Fußweg vom Signal Tower am südlichen Ende des historischen Bund entfernt ist.
Es gibt verschiedene Anbieter, am besten man kauft die Tickets vor Ort. Schiffe für dreistündige Touren bis zur Jangtse-Mündung und zurück starten in der Regel um 14 Uhr. Schiffe für einstündige Touren bis zur Yangpu-Brücke und zurück fahren ab 9 Uhr in kurzen Abständen bis in den Abend - es gibt auch Dinner-Ausflüge, bei denen die Lichter Pudongs mit den Kerzen auf den Tischen um die Wette flackern. Huangpu River Tours bietet guten Service und saubere Boote; dreistündige Tour ca. 200 Y. phone16doubleline.gif 6374 4461. Shiliupu Dock 十六铺
m16.gif 10 bis Yuyuan Garden, Ausgang 1, von dort ca. 5 Min. die Renmin Rd. Richtung Osten bis Shiliupu Dock.
Das Beste auf einen Blick
Diese Übersicht soll Reisenden helfen, die wenig Zeit haben, um die Stadt zu entdecken. Sie ist eine subjektive Auswahl, und die Reihenfolge entspringt keiner Wertung. Vielmehr soll die Liste den Leser unterstützen, seine eigenen Glanzlichter auszuwählen.
Der Bund
Einmal auf der Uferpromenade am Bund zu flanieren und die Parade der architektonischen Schönheiten abzunehmen, sollte sich niemand entgehen lassen. Vor allem der Prachtbau der Hongkong and Shanghai Banking Corporation mit seiner reich verzierten Eingangshalle zeugt vom alten Glanz der Stadt.
Schöne Ausblicke
Der Blick über die Wolkenkratzer-Landschaft gehört zu jenen Momenten, in denen Shanghai einem die Sprache verschlägt. Daher seien einige der schönsten Aussichtspunkte aufgelistet.
Mein Tipp: Vue-Bar Hoch über dem Fluss genießt man einen Rundumblick wie von einem Adlerhorst. Von hier offenbaren sich die Schönheiten der Stadt aus der Vogelperspektive.
Bar im World Financial Center, Pudong: Die Hotelbar des Park Hyatt liegt im 91. Stockwerk. Man spart sich die 120 Y für den Besuch der Aussichtsplattform, genießt einen nahezu ebenbürtigen Blick und kann das Geld in Getränke investieren.
Shanghai Tower: 632 m hoch, 128 Etagen, Baukosten von 4,2 Milliarden US-Dollar - das sind die Eckdaten des höchsten Gebäudes im Reich der Mitte. Von der Aussichtsplattform blickt man auf das World Financial Center und auf den wohl schönsten Wolkenkratzer Shanghais, den pagodenförmigen Jinmao Tower .
Yongkang Road
Diese Straße in der früheren Französischen Konzession war bis vor kurzem Teil eines beschaulichen Wohnviertels, jetzt ist es eine lebendige, bei Einheimischen wie Touristen beliebte Meile mit vielen Restaurants, Bars und Cafes.
Shanghai Museum
Wer sich für alte chinesische Kunst und Kultur interessiert, für den ist dieses wohl beste Museum im Reich der Mitte ein Muss. Bronzen, Skulpturen, Tuschemalereien - Kunstwerke einer reichen Vergangenheit werden spannend und zeitgemäß präsentiert.
Yuyuan-Garten und altes Teehaus
Der im 16. Jahrhundert von einem reichen Kaufmann angelegte Garten war einst Glanzstück der von einer Stadtmauer geschützten Altstadt. Vor dem Eingang des Gartens steht inmitten eines Teichs das alte Huxinting-Teehaus, erreichbar über eine Zickzack-Brücke, die östlichem Aberglauben zufolge für böse Geister unpassierbar ist. Wer früh kommt, genießt im Teehaus eine einmalige Atmosphäre.
Magnetschwebebahn
Eine Fahrt im Transrapid versetzt den Passagier in einen Geschwindigkeitsrausch. Mit bis zu 430 Kilometern pro Stunde schwebt der weltweit einzige Transrapid im Alltagseinsatz vom Flughafen Pudong in Richtung Innenstadt. Kaum hat man sich an das Fahrgefühl gewöhnt, ist das knapp zehnminütige Erlebnis auch schon wieder zu Ende.
Longhua-Kloster
Mein Tipp: Diese buddhistische Tempelanlage wurde im 3. Jahrhundert errichtet. Wenn die Mönche zur Mittagszeit Sutren summend von Halle zu Halle schreiten, macht sich eine besonders feierliche Atmosphäre breit. Die 40 Meter hohe Pagode steht heute außerhalb der Klostermauern, gehörte aber früher zur Anlage .
M 50-Kunstviertel
Galeristen und Künstler haben den alten Fabrik- und Lagerhallen neues Leben eingehaucht. Führende Gegenwartskünstler Chinas wie Pu Jie haben hier ihr Atelier.
Museum of Contemporary Art
Mein Tipp: Die Lage inmitten des Volksparks am People’s Square und interessante Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst machen einen Besuch reizvoll.
Jinmao Tower
Mein Tipp: Der Wolkenkratzer zitiert die Form einer Pagode. Das Bauwerk ist besonders gelungen, weil es Elemente traditioneller chinesischer Baukunst mit westlicher Architektur kunstvoll vereint.
Expo 2010: eine Meerjungfrau und kilometerweise Apfelstrudel
Hai Bao, der „Schatz aus dem Meer“, wurde viel gescholten: Langweilig, zu brav, unauffällig sei das Expo-Maskottchen, unkten Kritiker. Doch immerhin konnte Hai Bao rund 73 Millionen Besucher begrüßen, darunter etwa 3,5 Millionen aus dem Ausland. Das Maskottchen der Weltausstellung Expo 2010 war dem chinesischen Schriftzeichen für „Volk“ nachempfunden und hatte die Farbe Blau. Die sechsmonatige Sause kostete laut Schätzungen rund 45 Milliarden US-Dollar. Rund 18.000 Familien hatten ihre Wohnungen verlassen müssen, um Platz für das Expo-Gelände zu schaffen, das sich auf knapp 5,3 km² zwischen Nanpu- und Lupu-Brücke zu beiden Seiten des Huangpu-Flusses ausbreitete.
Die internationale Presse störte sich vor allem daran, dass viele der 246 teilnehmenden Nationen das Thema „better city, better life“ verfehlten. Gefragt waren Ideen und Konzepte für ein umweltverträgliches städtisches Leben, geboten wurden häufig Tourismuswerbung und Leistungsschau. Dennoch war es herzerwärmend zu beobachten, mit welcher Geduld die chinesischen Besucher um belgische Pralinen anstanden oder auf eine Fahrt in der Schweizer Seilbahn warteten. Reisefreiheit ist in China noch ein Fremdwort, aber auf der Weltausstellung holten sich die Besucher aus dem Reich der Mitte fleißig die Stempelbilder ab, die in vielen Pavillons von Helfern geduldig in die Besucherpässe gedrückt wurden. Mehr als vier Millionen interessierten sich für den deutschen Pavillon, 3,3 Millionen kamen in den österreichischen, in dem 1,1 Kilometer Apfelstrudel verspeist wurden. Dänemark lockte mit dem Original der Kleinen Meerjungfrau, der weltberühmten Kopenhagener Statue.
Inzwischen sind fast alle Expo-Bauten verschwunden. Was bleibt, sind rund 300 km neue U-Bahnstrecken, die das Shanghaier Netz erheblich erweitert haben. Das Ausstellungsgelände, südlich des berühmten Architekturensembles von Bund und Pudongs Finanzviertel gelegen, soll als neues Stadtgebiet ein drittes Markenzeichen der Stadt werden. Als einzige Schmuckstücke der Expo sind die schüsselförmige Konzertarena am Huangpu-Ufer in Pudong (→ Kapitel Architektur) und der chinesische Pavillon erhalten geblieben, eine imposante rote Holzkonstruktion in Pudong (→ Tour 3). Nach der Expo wurde im roten Pavillon die erste Picasso-Ausstellung Chinas gezeigt, inzwischen ist dort das China Art Museum eingezogen, auch China Art Palace genannt.
Information: www.expomuseum.com
Chinas Boom-City
Das ist zunächst einmal diese Zahl: 23 Millionen. So viele Einwohner zählt die wichtigste Industrie- und Handelsstadt des Reichs der Mitte. Knapp 14 Millionen bevölkern die Innenstadt. Viele Asien-Kenner sehen Shanghai mit seiner einzigartigen Skyline bereits als neue Hauptstadt des Kontinents.
Pudongs Skyline ist zum Sinnbild für Chinas Wirtschaftswunder geworden
An dem Tag, als sein Unternehmen ihn zum reichsten Mann des Dorfes machte, wurde Wei Ziqi Kommunist. Die Geschichte des Klein-Unternehmers Wei Ziqi, 2008 im Magazin „New Yorker“ publiziert, wirft ein Schlaglicht darauf, wie die heutige Volksrepublik China und auch ihre größte Stadt funktioniert. Daher wird Wei Ziqi den Leser in dieser Passage immer wieder begleiten. Seine kleine Geschichte erhellt die großen Zusammenhänge in China.
Shanghai ist die Wirtschaftskapitale dieses China, das mehr als 1,3 Milliarden Menschen zählt.
Zeiten des Wandels
Die Stadt am Huangpu ist als Verwaltungseinheit selbstständig und damit der Regierung in der Hauptstadt Peking direkt unterstellt. Von dort kam 1978, zwei Jahre nach dem Tod Mao Zedongs, auch das Signal des Neuanfangs für Shanghai, das in der Ära des Großen Vorsitzenden von der Politik vernachlässigt worden war, was die wirtschaftliche Entwicklung anbelangt. Es war Deng Xiaoping (1904-1997), Maos Nachfolger als Parteivorsitzender, der kundtat, dass Reichtum keine Schande sei. Vor nunmehr 30 Jahren begannen Chinas Machthaber, jenem Grundprinzip des Kommunismus abzuschwören, das das private Eigentum an Produktionsmitteln strikt untersagt. „Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist. Hauptsache, sie fängt Mäuse,“ hatte Deng propagiert. Millionen Menschen wie der einst arme Wei Ziqi nahmen von da an ihr Schicksal in die Hände und versuchten, als Unternehmer zu ein wenig Wohlstand zu gelangen.
1990 machte Peking Shanghai-Pudong zur Sonderwirtschaftszone und leitete damit den Boom am Huangpu ein. Von 1996 bis 2006 legte die Wirtschaftsleistung der Stadt jeweils zweistellig zu, seit einigen Jahren liegt das Wachstum im einstelligen Bereich, dennoch gehört Shanghai mit Hongkong und Macau zu den reichsten Städten Chinas.
Knapp 350.000 Dollar-Millionäre zählt China gegenwärtig. Wei Ziqi ist keiner davon, aber er hat es nach mehreren Anläufen mit einem kleinen Geschäft zu Haus und Auto gebracht, was ihm, seiner Frau und seinem Sohn im Dorf Ansehen und Anerkennung eintrug. Schließlich trat er in die Kommunistische Partei ein, um später Parteisekretär seines Ortes zu werden - so war es zumindest seine Absicht.
Kommunismus und Marktwirtschaft
Dazu muss man wissen: In Chinas Städten können Einheimische Wohnraum erwerben, privates Eigentum wird geschützt. In den Dörfern auf dem Land dagegen, wo noch immer 60 % der Bevölkerung - knapp 800 Millionen Chinesen - leben, gehören Grund und Boden nach wie vor dem Staat, der 30 Jahre währende Pachten vergibt. Die örtlichen Parteisekretäre bestimmen auch darüber, welche Investoren kommunales Land kaufen dürfen. Außerdem entscheiden sie über Anträge auf Regierungsdarlehen.
Es gibt in China Ansätze von Demokratie. Die Regierung hat allgemeine Wahlen auf Dorf- und Stadtteilebene eingeführt. Jeder kann sich bei diesen Wahlen um einen Sitz in sogenannten Dorfverwaltungs- und Einwohnerkomitees bewerben. Doch Befugnisse und Einfluss dieser Bürgervertretungen sind begrenzt. Ein gewählter Dorf-Vorsitzender beispielsweise hat keine Entscheidungsgewalt, die liegt allein beim örtlichen Parteisekretär.
Um auf Wei Ziqi und Deng Xiaopings Spruch zurückzukommen: Ganz egal ist es in diesem China der Gegenwart, dieser Einparteien-Diktatur mit starkem Polizeistaat, nun doch nicht, welche Farbe die Katze hat. Und so ist Wei Ziqis späte Wandlung zum Kommunisten zu erklären: Er wollte in seinem Dorf auch politisch mitreden. Wie bereits erwähnt, strebte er an, örtlicher KP-Sekretär zu werden - ein Posten, der alle drei Jahre von den KP-Mitgliedern des Dorfes in geheimer Sitzung vergeben wird.
Die Geschichte Wei Ziqis, der es aus noch zu erläuternden Umständen nicht zum Ortssekretär brachte, öffnet den Blick dafür, wie Chinas Politik im Großen funktioniert. Die Privat-Wirtschaft hat freie Hand, Profite zu machen, solange sie den politischen Alleinherrschaftsanspruch der KP nicht in Frage stellt. Ganz oben im Staate China funktioniert es ähnlich wie in Wei Ziqis Dorf: An der Spitze der Macht in Peking steht der „Ständige Ausschuss des Politbüros der KP“. Neun Männer bilden die machtvollste Instanz des Riesenlandes; kein einziger von ihnen musste sich jemals in freier Wahl einer anderen politischen Kraft stellen - und genau so verhält es sich mit den örtlichen Parteisekretären.
Politisches Machtgefüge
Das Politbüro legt die Leitlinien für das Wohl und Wehe einer Nation von 1,3 Milliarden Menschen fest. Den Vorsitz des Ausschusses hat der Generalsekretär der KP, der Parteichef, Staatspräsident und Chef der Zentralen Militärkommission in Personalunion ist. Das Politbüro bestimmt informell den Premierminister, der dem Staatsrat vorsitzt, welcher die Arbeit der Ministerien steuert und kontrolliert. Schließlich existiert mit dem Nationalen Volkskongress noch eine Art Pseudo-Parlament, dessen rund 3000 Mitglieder hinter vorgehaltener Hand auch als „Armee der Händeheber“ tituliert werden. Wer im Volkskongress, der einmal jährlich meist im März zusammentritt, einen Sitz bekommt, bestimmen wiederum Parteifunktionäre. Sie wählen geeignete Kandidaten aus den Reihen der Provinzen, der autonomen Gebiete, der regierungsunmittelbaren Städte wie Shanghai und der Volksbefreiungsarmee, die dann für fünf Jahre ein Mandat der Partei haben.
So funktioniert der Staats-Kapitalismus à la China. Und er hat Erfolge erzielt: Das Reich der Mitte hat sich vom totalitären Staat der Mao-Ära zu einem autoritären Regime entwickelt, das einige, wenn auch zaghafte politische Reformen in Richtung Demokratisierung unternommen hat. Chinas Menschen besitzen gegenwärtig größere Rechte als jemals zuvor in der Geschichte des Landes - das darf bei aller gerechtfertigten Kritik an der Herrschaft der KPCh nicht vergessen werden. Der Wandel von der sozialistischen Plan- zur Marktwirtschaft hat die Lebensumstände der Bevölkerungsmehrheit deutlich verbessert. Im China der Gegenwart muss niemand mehr verhungern, was noch Anfang der 1960er wegen politischer Fehlplanungen Schicksal Hunderttausender war.
Chinas Wirtschaftswachstum fiel 2015 mit 7 % deutlich schwächer aus als in den Jahren zuvor. Die Konjunktur-Euphorie bekam nicht nur durch Fabrikschließungen und Entlassungen einen Dämpfer, sondern auch durch die Börsenkrise mit Kurseinbrüchen und hektischen staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen. Auch und vor allem in der Börsenstadt Shanghai, dem „Kopf des Drachen“, von dessen Atem der Rest des Landes belebt werden soll, zitterten viele Anleger um ihr Vermögen.
Positives hat sich im Bildungsbereich getan: Beim Pisa-Test 2013 der OECD haben Shanghaier Schüler abermals den ersten Platz errungen - die vielen Mädchen und Jungen pauken also nicht umsonst bis zur Erschöpfung. Großbritannien (Rang 26) war so von den Mathe-Leistungen der Shanghaier Schüler beeindruckt, dass es chinesische Mathematik-Lehrer einfliegen ließ.
Die wirtschaftliche Dynamik kann man in Shanghai an der Zahl der Baustellen ablesen, den schulischen Ehrgeiz an einer Vielzahl von Kindern, die sogar in Restaurants und Imbissbuden über ihre Bücher gebeugt dasitzen. Umso schöner, dass es in den kleinen Seitenstraßen der Mega-City viele erfreulichere Dinge des chinesischen Alltag zu beobachten gibt. (→ Kastentext „Mahjong“).
Mahjong kann süchtig machen
Wer je bei schönem Wetter durch kleinere Wohnstraßen Shanghais spaziert ist (→ Tour 8 und 9), dem dürften diese Geräusche bekannt sein: Das Klackern von Spielsteinen, das Raunen von Stimmen, bisweilen Schreie der Freude oder des Entsetzens - je nachdem, ob Mahjong-Spieler Glück oder Pech haben. Mahjong, das beliebteste Brettspiel im Reich der Mitte, wird zu viert zelebriert. Häufig sitzen die Spieler ganze Nachmittage zusammen, manchmal nächtelang, wie im Stadtbezirk Zhabei, wo Polizisten laut Zeitungsbericht 2010 mehrere Mahjong-Salons aushoben, in denen Snacks und Obst mit Aufputschmitteln versetzt worden waren, um die Spieler wach zu halten.
Mahjong - in China offizielle Sportart
Ziel des Spiels ist es ähnlich wie beim Rommee-Kartenspiel, Bilder zu sammeln und abzulegen, entweder identische Steine oder Folgen. Je nach Variante befinden sich 136 bis 144 Mahjong-Steine auf dem Tisch. Von der Sportkommission Chinas ist Mahjong als offizielle Sportart anerkannt, und in vorkommunistischer Zeit galt es als erfolgreiche Methode, den Schwiegersohn in spe bei einer Partie Mahjong auszuwählen. Historiker sind uneins, wann genau das Spiel erfunden wurde. Sicher ist, dass die ältesten erhaltenen Spiele aus der Mitte des 19. Jahrhunderts datieren. In den 1920er Jahren brachte ein US-Amerikaner Mahjong in die westliche Welt.
Menschenrechte und Todesstrafe
Der Huangpu ist wichtige Wasserstraße
Die Reichen in China haben sich dem Anschein nach mit dem Alleinanspruch der KP auf die Macht arrangiert. „Noch nie ist so viel Wohlstand von so vielen Menschen in so kurzer Zeit geschaffen worden“, sagt der US-amerikanische Sinologe Roderick MacFarquhar. In einem Punkt sind sich der chinesische Polizeistaat und die US-amerikanische Demokratie übrigens ähnlich. Beide richten Verbrecher hin. China weigert sich seit einigen Jahren, die Zahl der Hingerichteten bekannt zu geben. Dennoch geht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International davon aus, dass im Reich der Mitte mehr Menschen von staatlicher Hand getötet werden als in allen anderen Ländern der Welt zusammen - 2015 waren dies 1635 Menschen. Die USA richteten 28 zum Tode Verurteilte hin. Besonders perfide in China: Mit der Sendung „Interviews vor der Hinrichtung“ durfte ein regionaler TV-Sender ungescholten Quote machen - bis die Zentralregierung in Peking 2012 die Sendung untersagte. Hintergrund war eine Dokumentation der BBC über die Todesstrafe in China, die eben diese regionale TV-Serie in den Mittelpunkt eines Beitrags stellte.
Trotz aller Kritik: Dass Chinas Regierung ein Gespür fürs Volk entwickelt, zeigte sich nach der Erdbebenkatastrophe in Sichuan im Frühling 2008. Das Beben hatte Schulen zum Einsturz gebracht, die umfielen wie Kartenhäuschen bei einem Windstoß, während viele Verwaltungsgebäude der lokalen KP-Gliederungen dem Beben standgehalten hatten. Insgesamt tötete das Beben rund 80.000 Menschen. Der damalige KP-Generalsekretär und Staatspräsident Hu Jintao sowie der einstige Premierminister Wen Jiabao eilten ins Krisengebiet, halfen, sprachen ihr Beileid aus und machten Überlebenden Mut. Und sie ließen schnell ausländische Hilfe ins Land - was im Tenor der internationalen Medien als Teil einer neuen Offenheit Chinas interpretiert wurde.
Das Volk erwacht
Das Mitgefühl der KP-Bosse kommt nicht von ungefähr. Immer mehr Chinesen machen ihrem Unmut über Korruption, Vetternwirtschaft, überteuerte Lebensmittel und Umweltzerstörung Luft: Rund 90.000 Demonstrationen gab es Medienberichten zufolge im Jahr 2007, häufig formiert sich der Protest im nur schwer kontrollierbaren Internet. 2008 empörten sich die Massen wegen des Skandals um verseuchtes Milchpulver, bei dem nach amtlichen Angaben knapp 300.000 Babys erkrankten und sechs starben. Auch die Arbeiter werden regierungskritischer: 2015 gab es landesweit laut China Labour Bulletin rund 2500 Streiks und Arbeitnehmerproteste.
Das Maskottchen der Expo hieß Hai Bao
Steigende Mieten, teurere Lebensmittel und Umweltverschmutzung sorgen auch in Shanghai für Unmut. Im Juni 2015 protestierten im Außenbezirk Jinshan im Süden Shanghais Tausende Anwohner gegen die Errichtung einer Chemiefabrik. Auch die teilweise miserablen Lebensbedingungen der mehr als vier Millionen Wanderarbeiter, die in Shanghai gestrandet sind, bergen sozialen Zündstoff. Die Shanghaier Fotokünstlerin und Professorin Xiao Hui Wang ist eine der einflussreichsten Frauen Asiens, sie sagt: „Gegenwärtig befindet sich China in einem großen Umbruch.“
In der innenpolitischen Debatte haben sich die Hardliner durchgesetzt. Seit 2013 ist Xi Jinping Staatsoberhaupt und Parteichef, Li Keqiang wurde Premierminister. Bei den Protesten der Demokratiebewegung in Hongkong Ende 2014/Anfang 2015 verordneten die beiden Neuen an der Staatsspitze der Stadtregierung eine harte Gangart. Die Hoffnungen auf Reformen sind spätestens seit den niedergeschlagenen Protesten in Hongkong bis auf Weiteres erloschen.
Übrigens bleibt auch abzuwarten, ob Unternehmer Wei Ziqi nochmals Anlauf auf den Posten des KP-Ortssekretärs nimmt. Den ersten Versuch jedenfalls hat er abgebrochen. Er verzichtete auf eine Kandidatur, nachdem der Bezirkssekretär ihn in einem eindringlichen Gespräch auf die gute Arbeit der Amtsinhaberin hingewiesen hatte, wie der New Yorker berichtet.
Mega-City in Zahlen
Was das Stadtleben anbelangt, signalisiert das Jahr 2008 laut UNO eine Zeitenwende: Erstmals in der Geschichte leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Die Urbanisierung ist einer der großen Trends der nahen Zukunft. „Mega-Cities“ - Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern - gelten daher als wegweisend. Shanghai, wo das Bruttoinlandsprodukt von 1992 bis 2006 jeweils zweistellig zunahm, ist die am schnellsten wachsende Mega-City unter den 17 Metropolen der Welt, die zu dieser Kategorie Stadt zählen. Einige Zahlen aus dem Treibhaus der Urbanisierung:
An Smog-Tagen ist die Sicht vernebelt
Um etwa 1,5 Zentimeter pro Jahr sinkt Shanghai jährlich ab, das Finanzviertel in Pudong drei bis sechs Mal schneller als andere Stadtbezirke. Verantwortlich dafür sind der Schwemmboden und die vielen Wolkenkratzer, die auf ihm lasten.
Rund 16,2 Millionen Quadratmeter Wohnfläche wurden von 1998 bis 2008 geschaffen. Um 250 % stieg der Stromverbrauch der Stadt in der Zeit von 1992 bis 2007.
Allein das größte Klärwerk der Stadt säubert 1,7 Millionen Tonnen Abwasser pro Tag.
Rund fünf Millionen Fahrgäste täglich nutzten 2011 das Metrosystem.
Bis 2020 soll sich der Individualverkehr in Shanghai vervierfachen.
Das Straßennetz verlängerte sich in den neunziger Jahren um 40 % auf fast 7000 Kilometer, der Ausbau dauert an.
In der Rushhour liegt die durchschnittlich Geschwindigkeit von Pkw und Bussen derzeit bei 11,5 km/h, in New York sind es 17,1, in Singapur 21,5 km/h.
Elf neue Satelliten-Städte, darunter Lingang New Town auf einer Insel rund 50 km vom Stadtzentrum entfernt, sollen den Zustrom an Landbevölkerung aufnehmen.
Shanghai - eine Stadt der Visionen,
wie im Urban Planning Exhibition Center zu sehen ist
Stadtgeschichte
Das Bild des Shanghai der 1920er und 30er Jahre wirkt nach: Opiumhöhlen, Glücksspiel und Sing-Song-Mädchen trugen der Stadt den Ruf als sündigstes Pflaster der Welt ein. Doch schon damals hatte die Metropole mehr Facetten, als jene Klischees es glauben machen wollten. Und so ist es auch heute: Die Stadt über dem Meer hat sich vom einstigen Fischerdorf zum Schaufenster des modernen China gewandelt. Ein Schaufenster, das vor allem durch seine Vielfalt fasziniert und Blicke auf eine spannende Vergangenheit freigibt.
Es war Nicolas Trigault, der 1615 als erster Europäer ein schriftliches Zeugnis von Shanghai ablegte. In seiner „Geschichte des Jesuitentums in China“ berichtet er davon, dass die Ansiedlung am Huangpu einst den Namen Hudu trug, was so viel bedeutet wie „Wasserlauf mit Fischreusen“. Doch als Trigault kam, hatte sich in dem einstigen Fischernest bereits viel verändert: „Der Umfang der Stadtmauer misst zwei Meilen, dennoch gibt es in den Vorstädten nicht weniger Häuser als innerhalb der Mauern. Die Stadt hat somit fast 40.000 Familien.“ Laut Trigault lagen unweit der Stadtmauern Landhäuser, Pagoden und Güter, und zwar so dicht aufeinander, dass es ihm angemessen schien, von einer „einzigen Stadt“ zu sprechen, in der er rund 300.000 Bewohner vermutete.
Shanghais frühe Geschichte
Reiche Fischgründe, fruchtbarer Boden und ein mildes Klima zeichneten die Region am Jangtse-Delta seit jeher aus. „Land, so reich an Fisch und Reis“ wurde die Gegend im Volksmund genannt. Wissenschaftler datieren die erste Besiedlung auf den Zeitraum zwischen 5900 bis 4000 v. Chr. So sehr sich die Gelehrten um die zeitliche Einordnung der Anfänge Shanghais streiten, so sicher ist es, dass das erste Siedlungsgebiet weiter im Landesinneren lag. Denn wo heute die Stadt steht, breitete sich damals noch der Ozean aus. Der Jangtse schwemmte über die Jahrtausende den Boden an, auf dem das Shanghai der Gegenwart wachsen konnte: Etwa 3000 v. Chr. tauchte die Fläche, auf der die Stadt heute steht, aus dem Ostchinesischen Meer auf.
Das Dorf Hudu entstand im 7. Jh. wenige Kilometer vom großen Strom entfernt, dort wo heute der Jangtse-Zufluss Huangpu und der kleine Wusong, auch Suzhou Creek genannt, zusammenfließen. Im Vergleich zu Suzhou, dem damaligen Zentrum der Region, spielte das Fischerdorf zunächst eine bescheidene Rolle. Einen Aufschwung erlebte Hudu erst, als der Schwemmsand des Jangtse den am Oberlauf des Wusong gelegenen Hafen Qinglong verschlammen ließ. So konnte Hudu unter dem neuen Namen Huadinghai in der zweiten Hälfte des 10. Jh. als Hafen und Umschlagplatz für die Versorgung Suzhous an Bedeutung gewinnen. Viehzucht, Getreide- und Gemüseanbau erlebten eine Blüte, und über den Jangtse und den Kaiserkanal bestanden gute Verkehrsverbindungen. Die kaiserliche Verwaltung trug dem Rechnung: 1074 errichtete sie ein Steuerbüro, und 1095 entsandte sie einen Zoll- und Hafenbeamten in den nunmehr Shanghai-shin („Markt über dem Meer“) genannten Ort.
Tortur des Füßebindens
Der Frauen verachtende Brauch des Füßebindens begann am Hof der Song-Dynastie (960-1279). Dabei wurden jungen Mädchen die Füße mit Stoffstreifen so fest abgebunden, dass das Fußgewölbe brach und die Zehen auf die Fußsohle wuchsen. Für die verkrüppelten Gliedmaßen erfand man Euphemismen wie „Lilienfüße“ oder „Lotusfüße“. Teilweise begann diese Tortur für die Kinder bereits im Alter von fünf Jahren. Angeblich steigerten sie die Chancen der Mädchen auf eine vorteilhafte Heirat. Wissenschaftler führen den grausamen Brauch teils auf männliche Sexualfantasien zurück, teils darauf, dass die Männer ihre Frauen an den Haushalt binden und ihnen damit eine aktive Rolle in der Gesellschaft vorenthalten wollten.
Seit 1911 ist diese unmenschliche Praxis in China offiziell verboten, gleichwohl wurde sie mancherorts noch bis in die 30er Jahre ausgeübt. Diese als Brauchtum verbrämte Form der Folter und Körperverletzung hatte sich vor allem bei den Han-Chinesen verbreitet. Die Hakka in Südchina sowie die meisten anderen Minderheiten lehnten das Füßebinden ab.